Privater Investor für das Ulner Stift

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Katholische Gemeinde St. Laurentius: Verhandlungen mit dem Weinheimer Ehepaar Noor über den Verkauf des denkmalgeschützten Kleinods am Fuße des Marktplatzes

Lange sah es schlecht aus für das Ulner Stift am Weinheimer Marktplatz. Nur mit teuren Notsanierungen konnte die katholische Kirchengemeinde St. Laurentius den Verfall des denkmalgeschützten Ensembles aufhalten. Eine Nutzung der Ulner Kapelle war nicht mehr möglich. Doch jetzt tun sich ganz neue Möglichkeiten für das Kleinod im Herzen Weinheims auf: Denn das Ehepaar Noor, dem bereits das angrenzende Wohngebäude am Marktplatz gehört, möchte das Ensemble kaufen und mit Millionenaufwand sanieren.

„Glückliche Fügung“

Als „glückliche Fügung“ bezeichnete es gestern Dr. Karl-Hermann Schütz, der Vorsitzende des Stiftungsrates von St. Laurentius, dass er im Herbst 2010 bei einem Termin auf der Baustelle mit Thomas Noor ins Gespräch kam. Denn aus dieser zufälligen Begegnung entwickelten sich intensive Gespräche über die künftige Nutzung und Sanierung des Ulner Stifts.
Nun wollen Thomas Noor und seine Frau Maria Bouvier-Noor die Kapelle und das Spitalgebäude kaufen und für geschätzte 2,5 Millionen Euro sanieren, wie deren Anwalt Frank Berner gestern im Rahmen eines Pressegesprächs erklärte. Stiftungsrat und Pfarrgemeinderat hätten den Verkauf bereits einstimmig befürwortet, ergänzten Schütz und Marie-Antoinette Mayer, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates.

Weiter sakrale Nutzung möglich

Dafür sprächen zwei gute Gründe: Denn das Konzept lasse erstens auch in Zukunft eine sakrale Nutzung der Kapelle zu. Gedacht sei dabei an Mai- und Adventsandachten, Fronleichnams- und Osterprozessionen, monatliche Gottesdienste und kirchliche Hochzeiten. Und zweitens werde diese Immobilie den Haushalt von St. Laurentius nicht mehr weiter belasten. Im Mai sollen die konkreten Verkaufsverhandlungen zwischen der Gemeinde und den Eheleuten Noor geführt werden. Danach könnte es relativ schnell gehen. Sobald die Zustimmung des Erzbischöflichen Ordinariats und der Denkmalschutzbehörde vorliegt, könnte der Umbau beginnen. Bis 2013, so das ehrgeizige Ziel, würde das Ulner Stift im neuen Glanz erstrahlen. Für die Eheleute Noor, die mit ihrem Unternehmen Storsack (Viernheim) ein Vermögen verdient haben, sei dies eine echte „Herzensangelegenheit“, betonte Rechtsanwalt Berner. Das Nutzungskonzept werde deshalb auch der „Würde des Gebäudes Rechnung tragen“. Als Kulturzentrum mit gewerblich-gastronomischer Nutzung – aber keiner regulären Gaststätte – wolle man eine außergewöhnliche Veranstaltungsstätte schaffen, die auch für Tagungen geeignet wäre. Für Pfarrer Johannes Bold, den Leiter der Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg, würde sich damit die Geschichte in guter Tradition fortsetzen. Schließlich entstand die Kapelle um das Jahr 1350 aus einer privaten Stiftung der Hildegund von Weinheim.

Die Investoren

• Maria Bouvier-Noor (Jahrgang 1955) und Thomas Noor (Jahrgang 1947) wollen das Ensemble des Ulner Stift mit Kapelle und Spitalgebäude von der katholischen Kirchengemeinde St. Laurentius kaufen.
• Bis Februar 2010 gehörten beide der Geschäftsführung der Viernheimer Firma Storsack Holding GmbH an, ehe sie ihre Anteile an das amerikanische Verpackungsunternehmen „Greif“ verkauften.
• Die Firma Storsack hatte der Einzelhandelskaufmann 1982 unter dem Namen International Polysacks GmbH (IPS) gegründet und zum Weltmarktführer für flexible Schüttgutbehälter (Big Bags) für Schüttgut aller Art – vom Milchpulver über Sandsäcke bis zu Zement – geführt.
• Das Ehepaar lebt seit 1981 in Weinheim.
• Das Wohngebäude, das vor der Ulner Kapelle am Marktplatz steht und seit den 1980er-Jahren im Familienbesitz ist, ist zugleich Firmensitz der IPS und der Vermögensverwaltungsgesellschaft KOH-I-NOOR GmbH. Damit beweisen Noors Sinn für Humor: Denn der Name „Koh-i-Noor“ bezeichnet einen 110-karätigen Diamanten, der heute Teil der britischen Kronjuwelen ist.
• Eines ihrer Hobbys sind Oldtimer. Im Jahr 2000 machte das Ehepaar Schlagzeilen, als es im Rahmen einer Oldtimer-Rallye mit einem Mercedes 250 SEC, Baujahr 1966, in 80 Tagen um die Welt fuhr.

Weinheimer Nachrichten, 06.04.2011